"Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche."
Auch nach 135 Jahren ist das Schuhhaus JUNG geblieben
Firmengeschichte Schuhhaus Jung
TETTNANG – „Achtungsvoll” hatte im Juli 1889 der aus Offingen am Bussen stammende Schuhmacher Franz Joseph Jung, mehrjähriger Geselle bei Herrn Wochner, angekündigt, dass er fortan alle in seinem Fach einschlagenden Arbeiten “solid, schnell und billig” ausführt und auch “Störarbeiten nach allen Richtungen” gerne übernimmt. Das heutige Schuhhaus Jung war gegründet. Zwei Jahre nach der Firmen- folgte die Familiengründung des 27-Jährigen mit Walburga Cless. Drei Töchter entsprossen dieser Ehe, die durch den Tod der Frau (1903) jäh endete.
Dank seines Fleißes war Joseph Jung bereits 1896 Hausbesitzer am Stadtbach, wo er auch ein Ladengeschäft eröffnete. Aus zweiter Ehe (1904 mit Ursula Spohn von Irmannsberg) folgten sieben Kinder, als erstes der Firmennachfolger Hermann Josef (1904). Bestens bekannt in Tettnang ist sein Bruder Ludwig – Priester, Prälat und langjähriger Superior des Klosters Reute.
Aufgrund seiner Tatkraft erhielt der 63-jährige Meister, zwischenzeitlich auch als Stadtrat fungierend, 1926 von der Firma Salamander das Alleinvertretungsrecht für Tettnang. Einen weiteren geschäftlichen Aufschwung gab es ab 1929, als Josef Jung durch den Kauf beziehungsweise Tausch das Haus Karlstraße 26 erwarb. Sohn Hermann, inzwischen umtriebig im Geschäft, trat nach dem Tod des Vaters 1942 an dessen Stelle. Der Geschäftsübernahme folgte die Heirat mit Maria Küchle im Juni 1942.
Gemeinsam überstand man die schweren Kriegsjahre, freute sich über die Geburt der Kinder Marianne Agnes (1943), Alfons Hermann (1944), Klara Ursula (1945) und Max Ludwig (1946). Wie anderswo war der Start 1948 nach schwerer Zeit und mit 120 DM “Kopfgeld” für die Familie nicht einfach. Doch schon ein Jahr später entschloss man sich, im Erdgeschoss des Hauses zwei kleine Fenster zu einer größeren “Schauanlage” umzugestalten.
Noch heute ist die folgende Tragik in der Familie Alteingesessenen in Erinnerung: Den strebsamen Handwerker traf im Sommer 1950 ein Schlaganfall, von dem er sich nicht mehr erholte. Vier Jahre später starb Hermann Jung. Seine Frau Maria stand mit den Kindern allein da. Mit einer Energie ohnegleichen meisterte sie ihr Schicksal, führte das aufstrebende Unternehmen weiter und sah in Alfons einen Juniorchef heranwachsen. Doch unerwartet verstarb dieser während der Prüfung im Alter von erst 17 Jahren.
Ein schwerer Schlag für die gesamte Familie. Doch Maria Jung widmete sich gottergeben und der ihr eigenen Tatkraft dem weiteren Geschäftsaufbau. Wenige Monate nach dem Tod von Alfons Jung, im August 1961, präsentierte sich das Haus Karlstraße 26 völlig umgestaltet und mit einem modernisierten Fachgeschäft im Tettnanger Stadtbild.
Mühen und Fleiß sah die tüchtige und beliebte Geschäftsfrau belohnt in einer weiteren Aufwärtsentwicklung. Als 1964 ihre Tochter Marianne Fidel Röhr heiratete, kam ein Schwiegersohn ins Haus, der sich zielstrebig und in kurzer Zeit in diese Branche einarbeitete und dem schon bald Repräsentationsaufgaben der Firma Salamander übertragen wurden.
1972 übergab Maria Jung die Geschäftsführung an Tochter und Schwiegersohn. Als “guter Geist des Hauses” war sie jedoch immer noch am Geschehen beteiligt, zur Freude der Kunden. Gemeinsam hatte man zuvor einen weiteren Geschäftsbau (1969) verwirklicht, der mit enormen Umbaumaßnahmen verbunden war. Die Voraussetzungen für weiteren geschäftlichen Aufschwung waren gegeben. Auch weil das Ehepaar Jung/Röhr bereits zwei Jahre nach Geschäftsübernahme im schräg gegenüberliegenden Haus Karlstraße 29 ein weiteres Schuhgeschäft – das Kinder-Schuhhaus “Lurchiland” – einrichtete.
Der weitere geschäftliche Aufschwung veranlasste zu weiterem Tun, zum vielleicht prägnantesten Entschluss in der an Baumaßnahmen nicht armen Familientradition. 1977 hatte man das Nachbarhaus erworben, geplant, überlegt und dann den großen Schritt vollzogen. Der nachbarliche Altbau wurde abgerissen und der dortige Neubau in das bestehende Geschäftsgebäude integriert. 1985 war der Schritt vollzogen. Der gelungene städtebauliche Akzent fand in weiten Kreisen Anerkennung, ebenso das Ladengeschäft, das nun großstädtische Ansprüche in jeder Hinsicht erfüllte. Im März 1985 fand die Einweihung statt. Firmenvertreter wie Stadt lobten dabei den Mut und die unternehmerische Weitsicht der Familie Jung/Röhr.
Ständig an Neuem orientiert, waren die Geschäftsinhaber der dritten Generation darum bestrebt, für den guten Namen der Firma durch besonderen Einsatz Imagepflege zu betreiben. Seit 2005 ist mit Elisabeth Aich die vierte Generation erfolgreich an der Unternehmensspitze. Sie hat aus einem der ältesten Tettnanger Einzelhandelsgeschäfte mit viel Engagement eine Adresse gemacht, die weit über die Montfortstadt hinaus einen Namen hat.
Unter Elisabeth Aich expandierte das traditionsreiche Unternehmen weiter. Im März 2011 übernahm die Tettnanger Geschäftsführerin das Schuhhaus Smigoc in der Tettnanger Straße 5 in Meckenbeuren. Ein Schuhgeschäft, das von 1968 bis 2010 von Karl-Heinz und Klara Smigoc, geborene Jung, geführt worden war. Ein konsequenter Schritt, der – zur Freude der bisherigen Inhaber – den Fortbestand der jung‘schen Servicequalität auch in Meckenbeuren sicherte.
Der positiven Nachricht folgte einen Monat später eine traurige Kunde: Am 22. April 2011 starb Maria Jung. Und mit ihr die Frau, die über Jahrzehnte hinweg dem Schuhhaus Jung – bei Bürgern, Kunden und Geschäftspartnern – ein geschätztes und beliebtes Gesicht gegeben hatte.
Dass der Name Jung auch für Kontinuität steht, stellt Dr. Angelika Barth in ihrem Jahresbericht fest, wenn sie schreibt: „Seit nunmehr 125 Jahren wird das Traditionshaus in ununterbrochener Reihe von der Familie Jung geführt.“ So ist und bleibt das Tettnanger Unternehmen jung, modern und trendig. Eine Anlaufstelle für Kunden, denen neben Qualitäts- und Markenschuhen vor allem auch eines wichtig ist: ein Service, der seinesgleichen sucht.
Mit umfangreichen Umbaumaßnahmen zum Jahresbeginn 2016 stellte sich Elisabeth Aich – rechtzeitig im Vorfeld der Sanierungsarbeiten in der Karlstraße 2017 – erneut den Anforderungen der Zeit im Bestreben, Kunden in rundum angenehmer Atmosphäre mit erfreulichen Einkaufserlebnissen verwöhnen zu können.
So bekam der Boden einen neuen, edlen Look in Holzdielenoptik in Eiche, gestalterisch harmonierend mit wiederkehrenden Elementen im Wand- und Mittelraumbereich. Rauputz an Wänden und Säulen, eine komplett erneuerte Elektrik mit LED-Deckenbeleuchtung in Tageslichtqualität und diverse Schreinerarbeiten, die gefühlvoll Bewährtes mit Modernem in Einklang bringen, trugen ein Übriges zu einem frischen, ansprechenden Erscheinungsbild des Traditionsgeschäftes in der Karlstraße bei. Mit rund 20 Quadratmetern mehr Ladenfläche par terre bekommen Kunden seitdem ein Angebot an Damen-, Herren- und Kinderschuhen barrierefrei auf einer Etage geboten. Kaum verwunderlich, dass das neue Ambiente bei der Wiedereröffnung im März 2016 durchweg positive Reaktionen zeitigte: Von „Donnerwetter“ bis „sehr gelungen“ und „es ist eine Freude, hier herein zu kommen“, erntete Elisabeth Aich denn auch jede Menge Anerkennung und Komplimente. Bürgermeister Bruno Walter sprach gar von einer „Oase“ in einer Straße, die von 60er-Jahre-Charme dominiert werde.
Dem Bestreben sich in einem höchst dynamischen Wettbewerbsumfeld dauerhaft erfolgreich positionieren zu können zollte denn auch Ende 2017 die Entscheidung Tribut, die Filiale in Meckenbeuren zu schließen. Kostenminimierung einerseits, besonders jedoch die Fokussierung auf den Ausbau von Serviceleistungen in zeitgemäße Richtungen wie die höchst erfolgreiche Konzentration auf Social-Media-Aktivitäten, flankiert von Vorträgen beispielsweise in Familientreffs bis hin zu individuellen Leistungen für Senioren gingen mit diesem Entschluss einher. Maßgeblich am Unternehmenserfolg beteiligt ist Elisabeth Aichs langjähriges Team, das sich nicht nur durch fachliche Kompetenz, sondern auch durch serviceorientierte Beratung und Freundlichkeit auszeichnet. Darüber hinaus können Kunden weiterhin auf den bewährten hausinternen, wie -externen Reparaturservice bauen, der die gebotene Leistungspalette umfassend abrundet. Getreu dem Motto „Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche“ gelang es Geschäftsinhaberin Elisabeth Aich mit diesen Maßnahmen, sich in einer zunehmend schwieriger gestaltenden Branche mit veränderndem Kundenverhalten unter sich immer schneller wandelnden Voraussetzungen entgegen dem Markttrend fit für die Zukunft aufzustellen.
Den permanenten Wandel unabänderlich als Konstante zu begreifen oblag der Inhaberin denn auch im Jahr 2018. Mit dem Tod von Fidel Röhr verlor das Traditionshaus im Februar dieses Jahres einen wertvollen Wegbegleiter. Mehr als 40 Jahre lang hatte der ehemalige Seniorchef engagiert an der langen Firmengeschichte mitgewirkt. Sein Vermächtnis, aber insbesondere auch dasjenige des Firmengründers Franz Joseph Jung und dessen Nachkommen zu bewahren liegt Elisabeth Aich auch im 135. Jahr des Bestehens sehr am Herzen.